Interview mit WBA- und AddUp-Managern zur Erläuterung der Hintergründe und Ziele einer gemeinsamen Initiative zur Schaffung eines AM Tooling Competence Center an der WBA Anfang 2023.

Original-Interview von Martin Ricchiuti von FORM+Werkzeug

Die WBA Aachen Toolmaking Academy unterstützt Werkzeug- und Formenbauer bei der Entwicklung technologischer Innovationen für die Industrie. AddUp, ein von Michelin und Fives gegründetes Joint Venture, ist ein globaler Erstausrüster von Multitechnologie-Produktionssystemen und Marktführer bei additiven Lösungen.

Im FORM+Tool-Interview mit Prof. Wolfgang Boos, Geschäftsführender Gesellschafter der WBA, und Julien Marcilly, stellvertretender Geschäftsführer bei AddUp, werden Hintergründe und Ziele der gemeinsamen Initiative eines AM Tooling Competence Centers an der WBA, das Anfang 2023 starten soll, erläutert.

Additive Lösungen finden: Einfacher Einstieg in die Additive Fertigung

AddUp wird der WBA sein additives Fertigungssystem FormUp 350 auf Basis des LPBF-Verfahrens zur Verfügung stellen. Mit der additiven Fertigung soll das Potenzial für den lokalen Werkzeug- und Formenbau erschlossen und die Prozesskette weiterentwickelt werden.

Mit der Gründung des AM Tooling Competence Center an der WBA schaffen Julien Marcilly von AddUp (rechts) und Prof. Wolfgang Boos von der WBA ein Kompetenzzentrum für die additive Fertigung im Werkzeug- und Formenbau.
© AddUp

FORM+Tool: Herr Marcilly, welche Ziele verfolgt AddUp mit dem neuen AM Tooling Competence Center, und welche Rolle spielt AddUp in der Zusammenarbeit?

Marcilly: Mit unserer im April 2022 gegründeten AddUp GmbH in Aachen verfolgen wir das strategische Ziel, den deutschen Markt für den Metall-3D-Druck für uns zu erschließen. Da i s t es nur konsequent, eine Partnerschaft mit der WBA einzugehen. Wir wissen, dass hier eine umfassende Kompetenz für die Belange des Werkzeug- und Formenbaus vorhanden ist, die wesentlich dazu beitragen kann, die Akzeptanz bei den Anwendern und der Technologie selbst weiter zu fördern. Wir werden unsere neueste PBF-Anlage ‘FormUp 350‘ (Powder Bed Fusion) in einer eigenen Halle im Vorführwerkzeugbau der WBA installieren und für potentielle Kunden zugänglich machen. Sobald die Anlage installiert ist, werden wir dort drei bis vier Anwendungstechniker und Anlagenbediener platzieren, um Interessenten bei ihren ersten Schritten mit dem Metall-3D-Druck auf unserer Anlage und auf dem Weg zu den ersten benötigten Teilen mit all unserem Know-how zu begleiten. Darüber hinaus sollen auf dieser Anlage gemeinsam mit den Experten der WBA Weiterentwicklungen der PBF-Technologie stattfinden.

FW: Herr Prof. Boos, ist der 3D-Druck ein neues Technologiefeld für die WBA, das Sie mit der Unterstützung von AddUp erschließen möchten?

Boos: Bislang lag der Fokus der WBA auf den klassischen fünf Technologien im Werkzeugbau. Vor etwa vier Jahren haben wir jedoch begonnen, gemeinsam mit den Partnern unserer Werkzeugbau-Community den Markt für 3D-Druck gezielt nach zukunftsträchtigen Lösungen für die Anforderungen des Werkzeugbaus zu sondieren. Wir haben uns sehr gefreut, als im Rahmen von corona-bezogenen Digital-Workshops und Gesprächen mit AddUp im Jahr 2021 deutlich wurde, dass ein AM Tooling Competence Center eine Win-Win-Situation für beide Seiten darstellt.

Denn für die WBA ist es ein zwingend logischer Schritt, diese sechste Technologie im Werkzeug- und Formenbau einzuführen. Wenn ein so starker Partner wie AddUp in die Gemeinschaft eintritt und sich auch noch bereit erklärt, ein entsprechendes System zu installieren, auf dem man nicht nur Teile, sondern auch den Prozess gemeinsam mit erfahrenen AddUp-Experten zum Nutzen des Anwenders verbessern und optimieren kann, dann ist das eine bemerkenswert erfolgreiche Konstellation. Wir freuen uns auf eine enge Zusammenarbeit mit Ihnen.

FW: Sie sprechen davon, die PBF-Technologie zu optimieren. Was meinen Sie damit?

Boos: Ich denke, es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man mit den Materialien umgeht und welche Leistung mit den Systemen unter optimierten Bedingungen erreicht werden kann. G l e i c h z e i t i g gibt es aber auch Themen, wie die Digitalisierung, die angegangen werden müssen. Was kann man als Verbindung umsetzen? Man muss viel mehr über das Material und den Prozess erfahren. Wir haben deshalb vereinbart, dass wir neben den beiden Partnern AddUp und WBA auch die gesamte Community mit rund 85 Unternehmen einbeziehen.

Auf diese Weise entsteht eine viel größere Anzahl von Impulsen und Ideen in Bezug auf Pulver, Verfahren, Komponenten und Anwendungen. Auf diese Weise werden Anforderungen definiert, die gezielt getestet werden können. Dies ist der ideale Start, um gemeinsam als Problemlöser im AM-Kontext zu agieren.

Der ‘FormUp 350’ hat bis zu vier 500-Watt-Ytterbium-Faserlaser als Strahlquelle und kann Teile mit einer Kantenlänge von bis zu 350 mm schichtweise im Würfel aufbauen. © AddUp

FW: Die Ausrüstung und das Personal kommen von AddUp; was bringt die WBA in die Zusammenarbeit ein?

Boos: Wir bringen auch einen 3D-Druck-Experten aus der WBA ein, der über Jahre hinweg Fachwissen gesammelt hat. Unser Fokus wird aber auf der Beschaffung von Bauteilen und der Ansprache von Werkzeug- und Formenbauern liegen. AddUp fungiert als Partner, der uns dabei unterstützt, den bestmöglichen Prozess für die Herstellung aller benötigten Bauteile zu erarbeiten. Darüber hinaus können wir mit unseren klassischen Methoden die Prozesskette im Rahmen der Nachbearbeitung von 3D-gedruckten Bauteilen vervollständigen. Das AM Tooling Competence Center wird ein Alleinstellungsmerkmal haben, weil wir die gesamte Prozesskette bis hin zum einsatzbereiten 3D-gedruckten Werkzeugbauteil abdecken werden.

Werkzeug- und Formenbauer können im neuen AM Tooling Competence Center in Aachen auf das umfangreiche Know-how von AddUp und der WBA bauen. Der Fokus liegt dabei auf der gesamten Prozesskette vom Design über die Analyse und Produktion bis hin zur Nachbearbeitung. © AddUp

FW: Das Interesse der Werkzeug- und Formenbauer zu wecken: Welche konkreten Problemfälle wollen Sie angehen?

Marcilly: Es gibt ein enormes Potenzial für den Einsatz im Hinblick auf minimierte Zykluszeiten beim Spritzgießen. Unsere Anlage kann feines Pulver mit kleiner Korngröße verarbeiten, was Vorteile bei der Herstellung von konformen Kühlkanälen bringt und damit die Wirtschaftlichkeit des Spritzgießens erhöht. Wir haben auch bereits einen neuen Werkzeugstahl entwickelt und die ersten Teile hergestellt, aber das ist erst der Anfang. Wir sind dabei, spezielle Stähle für Formeinsätze im Bereich des Stanz- und Umformwerkzeugbaus zu entwickeln. In Zukunft stehen auch Werkzeuge für medizintechnische Anwendungen und Druckgusswerkzeuge im Fokus.

FW: Wie unterstützt diese Kooperation die strategische Ausrichtung des WBA, insbesondere beim bereits erwähnten Thema der Digitalisierung?

Boos: Seit etwa fünf Jahren umfasst das Leistungsspektrum der WBA nicht nur die fünf klassischen Technologien für sich, sondern auch die Fertigung von Einzelkomponenten bis hin zu kompletten Werkzeugen. Damit erwirtschaften wir bis zu einer Million Euro Umsatz pro Jahr. Dies werden wir nun um die sechste Technologie in Form einer umfassenden Beratungs- und Fertigungsdienstleistung rund um 3D-gedruckte Metallbauteile erweitern. Dazu gehört aus meiner Sicht insbesondere auch das gesamte Thema Industrie 4.0.

Wo derzeit nur Körperschallsensoren oder Schusszähler integriert sind, bin ich überzeugt, dass wir mit entsprechend gedruckten 3D-Bauteilen und darin integrierten Sensoren ein völlig neues Niveau erreichen können. Es gibt noch zahlreiche Ansätze und Forschungsziele, die wir gemeinsam verfolgen wollen.

Mit der Beteiligung von AddUp am AM Tooling Competence Center wird das Netzwerk der WBA um die Schlüsselkompetenz 3D-Druck erweitert. © AddUp

FW: Was spricht den Werkzeug- und Formenbau an dieser Stelle an?

Boos: Ein Merkmal des klassischen Werkzeug- und Formenbauers ist, dass er es erst einmal sehen muss, um zu glauben, dass es funktioniert. Die Entscheidung, mit dem eigentlich benötigten Bauteil zu beginnen, wäre nur im Einzelfall sinnvoll, denn das setzt Vorkenntnisse voraus, etwa eine für den 3D-Druck geeignete Konstruktion. Als Kompetenzzentrum wollen wir gemeinsam mit unseren Kunden einzigartige Lösungen entwickeln. Unser Angebot soll ein ‘Easy Entry to Additive Manufacturing’ sein, mit dem Appell: “Rufen Sie uns an, egal worum es im Zusammenhang mit dem 3D-Druck geht.”

Marcilly: Die Alternative wäre, dass der Kunde ein System kauft. Das wäre eine riesige Investition, um die ersten Schritte und Experimente machen zu können. In der Praxis ist diese Hürde zu hoch. Hier im AM Tooling Competence Center steht dagegen die Maschine mit dem gebündelten Know-how von AddUp und WBA, an d e r der Kunde seine Teile ausprobieren oder Materialien und Designs testen kann. AddUp druckt als Dienstleister Metallteile im Wert von rund 10 Millionen Euro in Frankreich, es gibt also schon viel Anwendungs-Know-how, das man anzapfen kann und das wir zur Verfügung stellen. Mit den ersten Erfahrungen und Erfolgen fällt der Schritt leicht, in die erste eigene AddUp-Anlage zu investieren.

FW: Wann wird das AM Tooling Competence Center online gehen?

Marcilly: Das System wird derzeit installiert. Wir halten am 25. Oktober 2022 eine Präsentation im AM Tooling Competence Center mit den ersten Anwendungen für unsere AddUp-Projekt- und Entwicklungspartner. Am 26. Oktober erhalten alle WBA-Mitglieder auf der WBA-Jahrestagung eine Führung und Präsentation. Die offizielle Eröffnung ist für Anfang 2023 mit einer feierlichen Auftaktveranstaltung geplant.

Boos: Es ist gut, dass wir bereits Ende Oktober eine Art Pre-Opening für spezielle AddUp-Kunden und die WBA-Community haben. Am 27. Oktober haben wir auch das Werkzeugbau-Kolloquium mit der EiP-Preisverleihung. Hier können wir bereits ein erstes Zeichen für Unternehmen setzen, die offen für neue Technologien sind.

Marcilly: Wir stellen die FormUp 350 auch auf der Formnext im November vor und freuen uns darauf, Interessenten an unserem Stand E01 in Halle 12.0 zu begrüßen.

FW: Vielen Dank für das Interview!


WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH

D 52074 Aachen info@werkzeugbau-akademie.de www.werkzeugbau-akademie.de

AddUp Global additive Lösungen

F63118 CEBAZAT

contact@addupsolutions.com www.addupsolutions.com

Das vollständige Interview auf Deutsch lesen Sie hier

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